Gelegenheiten
Buchrezension 978-3910248045: „Gelegenheiten“ von Romy Schneider
Von der Dortmunder Autorin Romy Schneider erscheint im April 2023 der Debütroman „Gelegenheiten“ im Kopfreisen Verlag (ISBN: 978-3-910248-04-5). Schon 2020 veröffentlichte Romy Schneider das Sachbuch „Herz schlägt Kopf“.
Über das Buch „Gelegenheiten“ von Romy Schneider
Jeder Mensch findet im Grunde jeden Tag Gelegenheiten, um sein Leben neu zu ordnen und zu gestalten. Was meistens fehlt, ist der Mut. So geht es auch Karla, die ein scheinbar perfektes Leben in einer Berliner Penthousewohnung führt und in einer langjährigen Beziehung lebt. Ihre Karriere funktioniert, sie reist viel und genießt das nötige gesellschaftliche Ansehen. Eines Tages stellt sie aber fest, dass sich dieses Leben schon länger nicht mehr richtig anfühlt. Daher zieht sie in die Provence: Sie will Schriftstellerin werden und dort ihren ersten Roman schreiben, der schon seit Jahren als Idee bislang nur in der Schublade schlummert. Allerdings ist es für niemanden leicht, sein altes Leben zu verlassen. So geht es auch Karla. Sie fühlt sich hin- und hergerissen: Ihre Träume, Mut und Zweifel wechseln sich ab. Während sie versucht, diejenige zu werden, die sie schon immer sein wollte.
Über die Autorin
Romy Schneider heißt nur zufällig wie die berühmte Schauspielerin. Sie stammt aus Ost-Berlin (*1980), ihre Eltern verließen mit ihr und ihren Geschwistern die DDR noch kurz vor dem Fall der Berliner Mauer. Schneider studierte BWL und arbeitete in Essen und Düsseldorf in der Kommunikationsbranche. 2018 kündigte sie ihren Job und begab sich mit ihrer Familie auf eine Weltreise. Diese Erfahrung inspirierte sie ungeheuer. Anschließend schrieb sie „Herz schlägt Kopf“, zwar als Sachbuch angelegt, jedoch als berührende Reisegeschichte gestaltet, die Veränderungen und persönliches Wachstum reflektiert. Heute arbeitet Romy Schneider als Autorin und freie Lektorin. Sie lebt mit Mann und Tochter im Ruhrgebiet. Auch einen persönlichen Happy Place hat sie: Es ist die Provence, der sie in „Gelegenheiten“ ausgiebig huldigt.
„Gelegenheiten“: Eindruck vom Stil der Autorin
Romy Schneider lässt ihre Protagonistin Karla in der Ich-Form erzählen und platziert sie in ihr eigenes früheres Umfeld: nach Berlin. Im Berliner Frühling, den Schneider ausgiebig und facettenreich schildert (Kopfkino, Emile Zola lässt grüßen), fühlt Karla die berühmte Spannung, bevor „es“ heute passieren wird. Bei einer reinen Naturbeschreibung belässt es die Autorin freilich nicht. In ein Lob für Gartenanlagen inmitten von Neubauten fließt die Kritik der überteuerten Preise von Landschaftsgärtnern ein. Ein wenig wirkt wohl die Anlage schon wie Protz, wenn ein Teich mit goldfarbenen Fischen von hüfthohen Pflanzen, aufwendigen Kieselwegen und bunten Blumenbeeten umgeben ist, der wohl Exotik für die Bewohner einer Friedrichshainer Eigentumssiedlung verbreiten soll.
Selbst eine alte Eiche wurde extra in dieses Idyll versetzt. Karla empfindet das als künstlich und die Umgebung der gigantisch große Terrassen und Balkone als bedrückend. Dem subtilen Stimmungsbild in „Gelegenheiten“ schließt sich die Sozialkritik an: Gespräche mit Nachbarn haben zuverlässig die drei Themen der Karriere, des Fernurlaubs und der Ausstattung neuester Luxuskarossen, welche sich der Mittelstand im knappen Rhythmus anschafft.
Flucht
Dennoch ist eine Flucht aus dem prekär empfundenen Ambiente nicht leicht, denn Karla gehört mit ihrem Partner Marc genau zu dieser Gesellschaft – sonst würden die beiden hier nicht wohnen. Dennoch trauert sie ihrer früheren Wohnung im quirligen Stadtbezirk Mitte nach, vor deren Fenstern zwar alle zehn Minuten eine Straßenbahn vorbeiratterte, von der aber auch zum Lieblingsbäcker nur ein paar Schritte in Pantoffeln führten. Die Initiative für den Wohnort- und Statuswechsel ging von ihrem Partner Marc aus, der „sich verbessern“ wollte. Marc ist Unternehmensberater, sie ist Marketingmangerin.
Angehörige dieser Berufe verdienen gut, streben vor dem 40. Lebensjahr nach Besitz, Erlebnissen und Status, fühlen eine gigantische Sinnentleerung, wenn sie all das erreicht haben, und wagen oft auf die eine oder andere Weise den Ausbruch. Es gibt unter ihnen einige Individuen, denen schon etwas früher dämmert, dass sie obszön viel Geld dafür bekommen, dass sie blaue Luft verkaufen. Karla dürfte dazugehören, auch wenn sie möglicherweise erst knappe 30 ist. Wenn wir die Biografie der Autorin Romy Schneider betrachten (die ja immerhin BWL studiert hat), ist Karla nicht ihr Alter Ego, doch wahrscheinlich kennt Schneider in ihrem Umfeld genügend Leute dieses Schlages.
Das Beuteschema
Der Eingang des Romans lässt das Alter der Protagonisten nur erahnen, doch sie müssen sehr jung sein. Karla überdenkt ihr Kennenlernen: Sie hatten gemeinsam einen Schreibkurs belegt (Verweis auf autobiografische Züge der Autorin), er hatte sie geneckt, sie versuchte es zu ignorieren, obgleich er ihr gefiel. Er ist schmal, sportlich, mit braunen Haaren, schlagfertig und mit dem ausgestattet, was schon die Gen Y einen „definierten Körper“ nannte. Karla selbst scheint ein Püppchen zu sein, wenn man ihrer Mutter glaubt, die stets von ihrem „einzigartigen Puppengesicht“ sprach. Der muskulöse, karrierebewusste und intellektuell immerhin interessierte Mann hat ein Beuteschema, zu dem das Püppchen gut passt. Folgerichtig lädt er sie auf eine Studentenparty ein, was sie zunächst ausschlägt.
Eine Freundin überredet sie schließlich, nachzugeben, weil sie eigene Ambitionen hegt und eine Begleitung braucht. Karla trifft nun Marc wieder, sie verlieben sich und sind fortan unzertrennlich. Das Leben geht weiter, wie es die Jugend vorschreibt: mit Pizza und billigem Rotwein am Ufer der Spree, wo sich junge Paare gegenseitig ihre Träume gestehen. Die von Marc sind jetzt schon groß, denn unter einer Penthousewohnung in New York macht er es nicht (Kostenpunkt: zweistelliger Millionenbetrag). Doch das Versprechen eines aufregenden Lebens vermag eine junge Frau schnell zu begeistern.
Traum
Sie denkt an Schmuck und teure Kleider, auch wenn ihr eigener Traum daneben nicht verblasst. An dieser Stelle nun kann die Autorin der Versuchung nicht widerstehen, ihre Autobiografie einfließen zu lassen. Der Traum von Karla ist es nämlich, in der Provence als Schriftstellerin zu leben. Selbst ihr Häuschen dort kann sie sich ganz wunderbar vorstellen. Es hat ein Fundament aus grob behauenen Steinen und ist von Lavendel und Zypressen umgeben. Das Interieur ist stilvoll, aber einfach. Die Kommode wurde auf dem Flohmarkt erstanden, die restaurierten Holzstühle stammen aus einem Antiquitätenladen. Zum rustikalen Charme gesellt sich etwas Shaby Chic in Form von abblätterndem Putz und schweren, aber wackeligen Eisenstühlen auf der Terrasse. Die Schriftstellerin in spe fährt mit einem klapprigen Fahrrad auf den Wochenmarkt, um sich naturnah zu versorgen. Solche Träume verlacht Marc übrigens, er schiebt sie auf die französische Filmkunst der 1960er Jahre.
Demotivation im Buch „Gelegenheiten“
Bis zu diesem Punkt wäre die Leserin dem Paar schmunzelnd gefolgt, doch Marc treibt es aus Sicht des Rezensenten zu weit: Er bejaht zwar die Sommerresidenz in der Provence, doch es gibt den Moment, wo er die „Schreiberei“ seiner Freundin mehr als hintergründig belächelt. Er fragt unverblümt: „Warum tust du das?“ Ihre Texte kennt er nicht, was ein erhellendes Licht auf diese Beziehung wirft. Denn ein interessierter Partner hätte danach gefragt. Möglicherweise hat die Autorin hier unbemerkt einen Zeitsprung eingebaut, denn vom Sommerabend am Spreeufer hat es das Paar nun in seine Friedrichshainer Eigentumswohnung verschlagen, in der Karla unbeweglich auf dem Sofa sitzt und den Garten betrachtet, während er nervös auf dem teuren Teppich auf und ab geht.
Das Gespräch dreht sich jetzt offenbar allen Ernstes darum, ob sie ihren Ambitionen als Schriftstellerin folgen soll, während in ihr die Erinnerung an ihre früheren unbeschwerten Sommerabende aufblitzt. Dabei versucht sie Entgegnungen, die ihr nur langsam und gequält über die Lippen kommen, weil das Paar dieses Thema – nun erfahren wir es – wohl schon zum x-sten Mal behandelt. Dies ist der Moment, in dem Karla versteht, dass es für jeden Menschen besser und für einen Künstler überlebenswichtig ist, sich von einem demotivierenden Partner zu trennen.
Loslassen
Alles in der Wohnung erinnert Karla an sorgenfreie und erlebnisreiche Jahre mit Marc. Der kostspielige, handgewebte Teppich stammt aus Kapstadt, dort haben die beiden ihn auf einer Reise erstanden. Er trat die Heimreise separat und teuer per Kurier an, weil der Transport im Passagierflieger unmöglich gewesen wäre. Doch Marc verfügte stets über das nötige Kleingeld für diese Art von Extras. Dafür arbeitet er immerhin hart in seiner Unternehmensberatung, was ein entsprechendes Commitment an den erworbenen Wohlstand erzeugt. Auch Unternehmensberater, die ihren (in einer Geschäftskrise verzweifelten) Kunden nichts erzählen, was diese nicht allein herausgefunden hätten. Haben dabei jede Menge um die Ohren, wischen sich abends den Schweiß von der Stirn und glauben vor dem Einsetzen der vorn erwähnten Sinnkrise, sie hätten ihr Geld ehrlich verdient.
Statements
Eines ihrer beliebtesten Statements auf einer privaten Party lautet: „Ich habe mir das aufgebaut!“ Sehr gern lautet das Mantra mit der Partnerin oder dem Partner im Arm: „Wir (!) haben uns das aufgebaut!“ Wenn die Partnerin eine Marketingmanagerin und mithin ähnlich unterwegs wie ein Unternehmensberater ist, sollte eigentlich nichts dieses schöne Bild trüben. Eine Frau, die nebenher an brotlose Kunst denkt, muss folglich als undankbare Spielverderberin gelten.
Wir unterstellen, dass die beiden an dieser Stelle der Erzählung noch längst nicht so weit reflektieren, denn solche Einsichten kommen erst Jahre nach dem Burn-out. Eine ehrliche Schilderung erscheint uns indes die Traurigkeit von Marc zu sein, dem sein geliebtes Püppchen entgleitet. „Du kannst doch nicht …“ (all das verlassen, was wir beide uns „aufgebaut“ haben, da haben wir´s). Sie kann aber doch, denn Romy Schneider schildert hier in „Gelegenheiten“ den Augenblick des Loslassens. In Karlas Kopf schwebt hartnäckig das Wort „verlassen“. Zum Loslassen gehört der Rückblick.
Rückblick
Die beiden führten ein Yuppie-Leben, wie es im Buche steht (Yuppie: Young Urban Professional). Ihre Jobs gleich nach dem Studium waren von Anfang an gut bezahlt und schienen interessant zu sein. Sie waren unabhängig und dementsprechend unbeschwert. Die ersten Luxus- und Statusobjekte wie ein italienischer Premium-Kaffeeautomat folgten alsbald, im Urlaub ging es auf Fernreisen. Marc vermisste nichts, Karla hätte nichts vermissen müssen, denn sie hatte durchaus Zeit, nebenher ihre Geschichten zu schreiben. Allerdings hinterfragte sie alsbald den Sinn immer größerer Anschaffungen, der übergroßen HiFi-Anlage, des teuren Autos, des immer neuesten Smartphones, des Schmucks, der Handtaschen und Designerkleider. Gleichzeitig konnte sie dem Rausch nicht widerstehen, den Luxus erzeugt, der eine eigene Kategorie von Kultur ist. Möglicherweise beunruhigte Karla allerdings die Wandlung ihres Marc zum Workoholic, dessen Hauptmotivation die Gier nach noch mehr Wohlstand war.
Antrieb
Nun ist es wohlfeil, so etwas von außen zu kritisieren, denn der Antrieb in der Tretmühle des Geschäftslebens ist vielschichtig. Die Tagesaufgaben sind einfach da, der Stress ist oft enorm, die Belohnungen sind es aber auch. Nicht wenige Manager gleiten in die Drogensucht ab. Stattdessen etwas luxusaffin bis kauf- und geltungssüchtig zu sein erscheint allemal als das kleinere Übel. Wer es richtig machen wollte, müsste wohl das Gros seines Geldes den Armen der Welt schenken und weiter auskömmlich. Aber bescheiden leben, so der erste Gedanke von uns Unbedarften, die wir noch nie an ein Penthouse in New York dachten.
Wenn wir aber um eine Ecke weiter denken, fällt uns ein, dass so ein Mensch wohl ein Heiliger sein müsste. Und ein Heiliger, meine Damen und Herren, arbeitet weder in einer Unternehmensberatung noch im Marketing. Noch in der Werbung oder als Versicherungsvertreter, also nirgendwo, wo blaue Luft verkauft wird. Da beißt sich die Katze schon in den Schwanz. Karlas Resümee jedenfalls lässt das vergangene Luxusleben mit Shoppingtouren in den teuersten Boutiquen und Champagnerempfängen noch einmal Revue passieren. Bevor sie den wichtigen Schlusspunkt setzen kann: Ihr Leben braucht jetzt etwas anderes. Ihr Leben braucht jetzt den ganzen Roman.
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[…] Interviewer: Nochmals Herzlichen Glückwunsch zum Erfolg Ihres neuen Buches „Gelegenheiten„. Ich möchte heute in Ihrem Schreibprozess eintauchen. Zunächst einmal, welche Rolle spielt […]
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[…] „Gelegenheiten“ ist ein Roman von Romy Schneider über den Mut, seine Träume zu leben. Die Hauptfigur Karla hat scheinbar das perfekte Leben: Sie lebt mit ihrer großen Liebe in einer Traumwohnung in Berlin, hat Karriere gemacht und genießt gesellschaftliches Ansehen. Doch tief in ihrem Herzen fehlt ihr etwas. Sie hat ihren Traum, Schriftstellerin zu werden, aufgeschoben. Eines Tages beschließt sie, dass es Zeit ist, ihren Traum zu verwirklichen. Sie verlässt ihr Leben in Berlin und zieht in die Provence, um neu anzufangen. Doch es ist nicht einfach, alles hinter sich zu lassen und neu anzufangen. Karla kämpft mit Unsicherheit und Selbstzweifeln und muss lernen, ihr altes Leben loszulassen und ihr neues Leben anzunehmen ¹².
Quelle: Unterhaltung mit Bing, 7.5.2023
(1) Gelegenheiten von Romy Schneider – Buch | Thalia. https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/A1068076294.
(2) Gelegenheiten: Roman über den Mut, seine Träume zu leben von Romy …. https://www.lovelybooks.de/autor/Romy-Schneider/Gelegenheiten-8536720323-w/.
(3) Gelegenheiten – bod.de. https://www.bod.de/buchshop/gelegenheiten-romy-schneider-9783910248045. […]
[…] Informationen von Romy Schneider https://www.antwortensuche.de/buecher/gelegenheiten. […]
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[…] ihrer kinderfreien Abende genossen hatten. In Omas Haus durfte Sofie weder laut sein, noch mit Freundinnen spielen, denn Oma hatte eine irre Angst um die hellen Bodenfliesen und fand, ihre Enkelin trüge zu […]
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